Was ist passiert

 

Am 10.Juli  – der 1. Tag in den Sommerferien 2006 – sind wir mit unserem Yannik in die Uni-Klinik Kiel gefahren, weil Yannik an seiner Skoliose operiert werden sollte.

Eine Skoliose ist eine Verkrümmung der Wirbel, die durch mangelnde Muskulatur auftreten kann. Yanniks Skoliose hat in dem letzten halben Jahr sehr stark zugenommen, sodass sich seine Lungenkapazität schon verschlechtert hat. Mit der Versteifung der Wirbelsäule wollte man nun verhindern, dass es zu weiteren Einschränkungen kommt.

Nun stimmt man einer so großen OP natürlich nicht gleich zu, nur weil ein Arzt sagt, es muss gemacht werden. Wir waren mit unserem Sonnenschein bei drei Fachärzten, die Yannik schon vom Babyalter her kannten. Alle sagten uns, es muss gemacht werden, da sonst die Gefahr besteht, dass die Funktion der Lunge noch weiter abnehmen könnte, und dann … das wollten wir uns nicht ausmalen…

Auch seine Therapeuten gaben uns Zuspruch – es wurden 2 Lungenfunktionstests gemacht, ob eine OP überhaupt durchgeführt werden kann, Yanniks Kardiologe gab grünes Licht und sein Allgemeinzustand sprach auch nicht gegen eine OP…

Was macht man da als Laie? Vertraut man den Ärzten, oder nimmt man das Risiko einer Verschlechterung in Kauf??

Wir haben uns entschieden und der OP zugestimmt.

Yannik hat uns voll vertraut - wie immer  (es war schliesslich nicht seine 1. OP), er war so tapfer – wie immer … er hat gesagt, es muss wohl so sein, also muss ich da durch … er hat uns keine Angst gezeigt unser tapferer Yannik – wie immer.

Für Yannik war es immer wichtig, eine Belohnung für seine Tapferkeit zu bekommen und so haben wir mit ihm gemeinsam, lange vor der OP, die neue Olli Kahn Garnitur der Saison 06/07 im Bayernfanshop bestellt. Ich hatte die Handschuhe von Olli in seine Krankenhaustasche gepackt, und Junior hat sie natürlich sofort entdeckt, als ich seinen Spint einräumen wollte – natürlich ging ein Strahlen über sein Gesicht und wir konnten es ihm nicht ausreden, dass er den „Rest“ erst nach der OP bekommen sollte – und wir sind so dankbar darüber, dass wir ihm die Sachen gleich geholt haben und er sie noch anziehen konnte. Die letzten Fotos von unserem Schatz sind mit der Handykamera aufgenommen worden und zeigen den stolzesten Jungen der ganzen Welt.

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Er hat sich so gefreut, er hat so gestrahlt, er wollte noch so viele Paraden in diesem Dress machen – es tut uns so leid, dass das nun nicht mehr möglich ist …

wir haben uns entschlossen, das Yannik diese Sachen auf seinem letzten Weg anziehen soll – bei ihm sind ausserdem noch Teddy und Goleo, dass Fussballmaskotchen der WM, sowie ein erst kurz vorher selbst von ihm ausgesuchtes  Armband der WM ..

Die Aufnahme in der Orthopädie wurde durch eine Stationsärztin morgens um 10.00 h durchgeführt. Um 16.00h!!! hatten wir dann das Gespräch mit dem Narkosearzt. Natürlich war dieser sehr in Eile, denn normal hätte er ja schon Feierabend?!!? Da Yannik durch seine Erkrankung ein Risikopatient war, legten wir diesem Arzt sein „Narkoseheft“ hin – er ist gar nicht weiter drauf eingegangen – wir wurden noch 2 Minuten „Gespräch“ wieder auf die Station geschickt.

Ich beneide meinen Mann Stefan so sehr um die letzten gemeinsamen Stunden mit unserem Engel. Wir hatten uns nämlich entschieden, dass Stefan die ersten 2 Wochen mit Yannik im Krankenhaus verbringen sollte, da direkt nach der OP die „vorsichtige“ Umlagerung etc. für mich einfach nicht zu schaffen gewesen wäre. Ich hätte die nächsten Wochen übernommen … aber es sollte alles anders kommen …

Ich habe meine Jungs am Abend verlassen und die Beiden haben sich die Zeit mit der Playstation vertrieben.

Der Arzt, der Yannik operieren sollte, kam abends noch vorbei und hat mit unserem Schatz gescherzt, dass er nach der OP ja mindesten 3 Zentimeter grösser sein werde – Yannik hat gelacht, weil er seinem Ziel – so groß wie Papa werden – ja dadurch schneller näher kam …

Yannik hat die Nacht tief und fest geschlafen, nur wir Eltern waren total unruhig – ich war am nächsten morgen natürlich sehr früh bei Yannik und seinem Papa – die letzten Minuten, die wir mit unserem Schatz reden konnten. Alles lief normal – die Zugänge wurden gelegt, das OP Hemd wurde übergezogen und die „Beruhigungstropfen“ geschluckt. Yannik war noch immer ruhig und kuschelig – und dann war es soweit – Yannik wurde abgeholt – Goleo fest im Arm, riesengrosse blaue Augen die uns Hilfe suchend anblickten.

An der Schleuse haben wir ihm dann erneut versprochen, dass alles gut wird, dass wir bei ihm sind, sobald er wieder aufwacht – wir haben ihn gedrückt und geküsst – nun bekam er doch Angst und fing an zu weinen – das Letzte was wir je von unserem Schatz gehört haben – er hat geweint … es tut so weh, daran zu denken …

die Schwester sagte noch, er habe nach seiner Mama gerufen …

und ich war nicht für ihn da … es tut mir so leid, mein Schatz

Wir befolgten den Rat der Schwestern und haben einen Spaziergang gemacht, da die OP für mindestens 4 Stunden angesetzt war. Als wir zurück im Stationszimmer waren, begann der Horror. Eine Ärztin – die wir vorher noch nie gesehen haben – teilte uns kurz und trocken mit, dass Yannik nicht operiert werden konnte, da es Probleme mit der Narkose gegeben hat und es ihm so schlecht geht, dass er erst morgen operiert werden soll. WAS? WIE? WO ist er? Das wusste besagte Ärztin nicht. Wir haben natürlich voll Alarm geschlagen, bis man uns schließlich sagte, dass der Transport in die Kinderklinik kurz bevor stand. Wir sind sofort Richtung Intensivstation aufgebrochen und wenig später wurde unser Engel eingeliefert – es ist so grausam, wenn man nichts tun kann, wenn man hilflos zusehen muss, wie sein Kind auf die Intensivstation gebracht wird - wenn man nicht weiss, wie es um ihn steht!! Es vergingen bange Minuten der Ungewissheit – Yannik wurde erstversorgt – es dauerte für uns unendlich lange – alle wirbelten um ihn herum – und dann kam der Oberarzt der Intensiv und war fassungslos. Er begann mit den Worten                                                                                                   wie konnte man bei diesem Kind nur einer OP zustimmen?

WAS?

WIE meint er das?

Das kann doch wohl nicht sein Ernst sein?

Wir durften dann endlich zu Yannik, nachdem der Arzt uns über das Geschehene aufgeklärt hat.

Die Oberärztin der Narkose ( 30 Jahre Berufserfahrung - ha ha ha) hat versucht, Yannik den Tubus zu legen. Hätte sie Yannik vorher schon einmal gesehen, hätte sie gleich merken müssen, dass unser Yannik starke Kontrakturen im Kiefergelenk hatte, sodass er seinen Mund nicht weit genug öffnen konnte. Sie hat gleich beim 1. Versuch “daneben gestochen“ weil der „Winkel“ nicht stimmte und es kam sofort zur starken Anschwellung im Hals. Sie musste also weitermachen … nach 3 ½ Stunden hatten sie es dann letztendlich geschafft und Yannik hatte diese Tortur überstanden – wir hoffen und beten, dass unser Schatz nicht eine Sekunde etwas davon mitbekommen hat!!

Da lag nun unser Kind, angeschlossen am Beatmungsgerät und diversen Infusionen – alles piepte, das Geräusch des Beatmungsgerätes werden wir nie vergessen –                    das darf doch alles nicht wahr sein!!!                                                                     WARUM musste das geschehen, WARUM immer Yannik?!?                                                 Und es kam noch schlimmer. Yannik bekam eine schlimme Lungenentzündung – in der Nacht mussten 2 Drainagen gelegt werden, da sich Wasser und Blut in der Lunge gesammelt hatte. Es war so schrecklich, unser kleiner, tapferer Sohn – was soll nur werden – je länger er an der Beatmung hing, desto wahrscheinlicher wurde eine künftige Dauerbeatmung – die Angst um ihn wuchs von Minute zu Minute – und wir konnten nichts machen … wir konnten ihm nicht helfen …

Die Prognosen? Auf die Frage, ob wir unseren Yannik wieder mit nach Hause nehmen können, sagte der Oberarzt nur, wir sollen die Hoffnung nicht aufgeben –                            WAS?? So schlimm? Nein, das wollten wir akzeptieren.

Mit Hilfe von starken Schmerz- und Schlafmitteln hat Yannik lt. Auskunft der Ärzte nicht mitbekommen, was um ihn herum geschehen ist. Wir beten dafür, dass es stimmt!! Wir haben ihn geküsst, ihn gestreichelt, seine Hand gehalten, ihn gewaschen, bei der Umlagerung mitgeholfen, wir haben ihm Geschichten erzählt, seine Musik mitgebracht ... er hat manchmal auf unsere Stimmen reagiert und versucht, die Augen zu öffnen und etwas zu uns zu sagen – oh, diese trüben, blauen Augen, die einst so gestrahlt haben. Wir haben immer und immer wieder zu ihm gesprochen, ihm gesagt, wie sehr wir ihn lieben, dass er kämpfen muss, dass wir ihn brauchen und das alles wieder gut wird. Wir hatten große Hoffnung, dass alles ein gutes Ende nehmen wird, da die Werte etwas besser wurden und auch die Drainagen am 3. Tag gezogen wurden.

Wieder ein kleiner Schritt nach vorne – wieder ein Funken Hoffnung  - die Angst sass uns im Nacken – was würde sein, wenn der Tubus gezogen wird – wird Yannik selbstständig atmen können – was ist, wenn nicht? Was ist, WENN…. aber dieses WENN gibt es nicht mehr … unsere größte Hoffnung, unseren Sonnenschein wieder mit nach Hause zu nehmen und die ganze Geschichte einfach zu vergessen ... vorbei …

Yanniks kraftloser Körper hat den Kampf nach fünf Tagen aufgegeben ... unser Schatz ist am 16. Juli 2006, in der Nacht um 00:18 h, zu den Engeln gezogen.

 

Wenn wir Dir auch die Ruhe gönnen,

ist doch voll Trauer unser Herz,

Dich leiden sehen und nicht helfen können,

das war für uns der grösste Schmerz