Trauer, was ist das?

Wenn man im Lexikon unter dem Wort Trauer nachschlägt, findet man Schlagwörter wie ...

Seelennot, Kummer, Unglück, Herzweh, Leid, Unmut ….

Wenn man Trauer erlebt, sind all diese Schlagwörter ein                                                    NICHTS …

kein Wort kann das Gefühl der absoluten Trauer in Worte fassen.

Unbeschreiblich ist der Schmerz, der einen überfällt, wenn einem das Liebste im Leben genommen wird.

Leidvoll am eigenen Körper erfahren, sind wir andere Menschen geworden, seit wir uns in Trauer befinden.

Trauer kostet Kraft – deshalb heisst es wahrscheinlich auch Trauerarbeit …

Leider ist Trauer und Tod immer noch ein Tabuthema in unserer Gesellschaft. Der Tod gehört zu jedem Leben dazu, aber man möchte sich nicht wirklich mit diesem Thema befassen.

Durch Yanniks Engelflug waren wir nun das erste Mal in unserem Leben gezwungen, uns mit dem Tod auseinanderzusetzen. Zwar haben wir schon einige liebe Menschen gehen lassen müssen, aber das eigene Kind? Die eigene Zukunft?

Durch den Tod von Yannik haben wir ein anderes Sehen erlangt. Schon zu Yanniks Lebzeiten war für uns nichts Selbstverständlich … und nun haben wir in vielerlei Hinsicht erkannt, was für uns wirklich wichtig ist  … welche Dinge im Leben unsere Kraft nicht mehr rauben werden und für welche Dinge wir unsere Kraft einsetzen bzw. einteilen werden…

Die Trauer verändert sich, man spricht von Trauerphasen. Anfangs konnten wir uns nicht vorstellen, dass der Schmerz über den Tod von Yannik je nachlassen kann, aber es ist anders, lebbarer geworden …

 

 

         Die Trauerphasen nach Verena KAST

Die Schweizer Psychologin Verena KAST entwickelte durch die Beobachtung an Trauernden und vor allem durch die Betrachtung der Träume, die ihrer Ansicht nach den Trauerprozess einleiten und an welchen sie die Entwicklung im Trauerprozess abliest, ein Modell von Trauerphasen. Dieses Modell gilt heute als eines der wichtigsten Grundlagen für das Verständnis von Trauerprozessen (SPECHT–TOMANN / TROPPER, 1998). Es macht deutlich, dass der Tod eines Menschen ein schwerwiegender Einschnitt in die Biografie der Angehörigen ist, alte Wertmaßstäbe und Bezugssysteme verlieren an Bestand und müssen neu ausgehandelt werden. In diesem Sinne kann man die einzelnen Phasen auch als Aufgaben verstehen, die der Trauernde bewältigen muss, um den Tod effektiv verarbeiten zu können.

1. Die Phase des Nicht–wahrhaben–Wollens

Die Nachricht des Todes löst einen „Gefühlsschock“ aus. Der Verlust wird geleugnet, kann nicht realisiert werden und die eigenen Emotionen können nicht wahrgenommen werden. Die trauernde Person scheint empfindungslos und fühlt sich oft selbst „wie tot“. Die körperlichen Reaktionen können alle Symptome eines Schocks (schneller Pulsschlag, Schwitzen, Übelkeit, motorische Unruhe) sein. Die Phase dieses Zustandes kann von einigen Stunden bis zu etwa einer Woche andauern, im Falle eines plötzlichen Todes kann sie noch länger anhalten.

Als Helfender ist es hier wichtig, ein ausgewogenes Nähe–Distanz–Verhältnis zu finden, so dass der Betroffene nicht einfach sich selbst überlassen wird, sich aber auch nicht „überversorgt“ oder gar entmündigt vorkommt.

KAST betont, dass dieses Nicht–wahrhaben–Wollen sowohl als Verdrängung, als auch als Schutz vor überwältigenden Gefühlen, mit denen nicht umgegangen werden kann, zu verstehen ist.

2. Die Phase der aufbrechenden Emotionen

In dieser Phase taucht der Trauernde in ein regelrechtes Gefühlschaos: Wut, Trauer, Angst, Zorn, Schmerz, Niedergeschlagenheit, Schuldgefühle, u. v. m. stellen sich ein. Welche Emotionen sich mischen oder überwiegen, hängt stark von der Persönlichkeit des Betroffenen ab, so reagieren z.B. Ängstliche mit Angst, Choleriker mit Zorn, usw.

Diese Stimmungslabilität kann im Kontakt mit anderen schnell zur Schwierigkeit werden, von einem Begleiter wird hier viel Geduld und Fingerspitzengefühl, sowie ein gewisses Maß an Abgrenzung gefordert.

Die Ohnmacht des Menschen angesichts des Todes kann nur schlecht eingesehen werden; es treten Schuldgefühle auf, weil man befürchtet, nicht alles getan, etwas versäumt oder unterlassen zu haben, das den Tod hätte verhindern können oder es werden andere Menschen dessen beschuldigt.

Das Zulassen der Gefühle ist  Bedingung für ein Fortschreiten des Trauerprozesses, was durch gesellschaftliche Zwänge erschwert werden kann.

3. Die Phase des Suchens und Sich–Trennens

Beim Verlust eines geliebten Menschen suchen wir zum einen den realen Menschen (Aufsuchen von Orten, die der Verstorbene mochte; in den Gesichtern anderer Menschen nach Zügen des Verstorbenen suchen; Übernehmen von Gewohnheiten des Verstorbenen) und zum anderen Möglichkeiten, Teile der Beziehung zu erhalten (Erzählungen und Geschichten über den Verstorbenen; innere Zwiegespräche mit dem Verstorbenen); eine innere Auseinandersetzung mit dem Verstorbenen findet statt. Dieses Suchen bereitet den Trauernden darauf vor, ein Weiterleben ohne den Verstorbenen zu akzeptieren, keineswegs aber ihn zu vergessen. Je mehr gefunden wird, was weiterleben, weitergegeben und erinnert werden kann, um so eher kann schrittweise ein Abschiednehmen und letztlich die Trennung vom Verstorbenen erfolgen.

Will man in dieser Phase unterstützen, so ist es wichtig, den Betroffenen keinesfalls zu drängen den Verlust endlich zu akzeptieren. Wichtig sind hier vor allem das Zuhören, auch wenn eine Geschichte schon zum hundertsten Male erzählt wird, und das Ernstnehmen der Gefühle, die sich beim Betroffenen dadurch einstellen.

Als gelungen kann die Trauerarbeit bezeichnet werden, wenn auf die empfundene Nähe immer wieder der Aspekt des Verlassen–Müssens folgt und angenommen werden kann.  

4. Die Phase des neuen Selbst- und Weltbezugs

Im Verlauf der vorhergegangenen Phase wurden Wege gefunden, mit dem Verstorbenen positiv umzugehen. Er wird zu einer Art „inneren Figur“, dies kann sich ausdrücken, indem der Verstorbene als innerer Begleiter erlebt wird oder daran, dass der Trauernde Lebensmöglichkeiten, die zuvor an die gemeinsame Beziehung gebunden waren, in sein eigenes Leben integriert hat. Die Gedanken und Handlungen des Trauernden kreisen nicht mehr ausschließlich um den Verstorbenen, es wird wieder möglich das eigene Leben zu gestalten. Selbstvertrauen und Bezugsfähigkeit wachsen, so dass neue Beziehungen eingegangen werden können und neue Lebensmuster entwickelt werden können, ohne dass der Verstorbene vergessen scheint.

Für Helfende ist es jetzt wichtig, akzeptieren zu können, dass auch sie nun nicht mehr so gebraucht werden, wie zuvor, aber dennoch sollte man sensibel bleiben für mögliche Rückfälle in vorherige Phasen, die immer wieder vorkommen können, obwohl der Verlust akzeptiert ist und der Schmerz zu einem Großteil überwunden ist. Frau KAST betont, dass auch gesehen werden muss, dass Rückfälle den Trauernden auch ermöglichen, ihre Verlusterfahrungen immer wieder aufzuarbeiten.